Das Wissen um Stoffeigenschaften und Stoffumwandlungen dient der Menschheit seit Anbeginn dazu, sich in der Auseinandersetzung mit der Natur zu behaupten. Die Chemie gibt der Beschäftigung mit Stoffen und Stoffumwandlungen ein exaktes naturwissenschaftliches Fundament. Auf Grund ihrer Erkenntnisse und ihrer weitreichenden Anwendungen ist sie eine naturwissenschaftliche Basisdisziplin. Als wesentliche Grundlage technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen eröffnet die Chemie Wege für die Gestaltung unserer Lebenswelt. In der Ernährungssicherung, der Energieversorgung, der Werkstoffproduktion, der Informationstechnologie sowie der Bio- und Gentechnik stellt sie eine wesentliche Säule unserer Zivilisation dar.

Zentrale Aufgabe des Schulfaches ist es daher, Schüler mit den spezifischen Fragestellungen, Lösungswegen und Denkstrategien der Chemie vertraut zu machen und den Lernenden fachbezogene Kenntnisse und Methoden zu vermitteln. Dazu gehört auch die Erarbeitung eines Überblicks über wichtige chemische Stoffe und Stoffgruppen.

Beitrag des Faches zur gymnasialen Bildung und Persönlichkeitsentwicklung

Ausgehend von der Vielfalt der Stoffe und Stoffumwandlungen weckt der Chemieunterricht das Interesse am Erkunden von Naturvorgängen und technischen Prozessen. Dem Experiment als Methode der naturwissenschaftlichen Welterschließung kommt hierbei zentrale Bedeutung zu. Es erfordert eine präzise Fragestellung, exaktes Beobachten und erzieht zu einer klaren, unvoreingenommenen Beschreibung der Phänomene. Das Analysieren und Deuten der erhaltenen Ergebnisse fördert das Abstraktionsvermögen. Charakteristisch für die chemische Denkweise ist dabei die Notwendigkeit der Verknüpfung einer konkret erfahrbaren Ebene der Stoffe und Stoffumwandlungen und abstrakter Modellvorstellungen auf der Teilchenebene. Die Einblicke in die Wechselbeziehungen zwischen Empirie und Theorie sind zugleich Anlass, über Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis nachzudenken.

Der Chemieunterricht leistet einen zentralen Beitrag zum Verständnis der Industriegesellschaft und schafft Grundlagen für eine naturwissenschaftlich begründete Umweltbildung. So sind solide chemische Kenntnisse für die vorausschauende Beurteilung von Technikfolgen und für nachhaltiges Wirtschaften vor dem Hintergrund knapper werdender natürlicher Ressourcen unabdingbar. Außerdem bilden sie die Grundlage für verantwortliches Handeln im alltäglichen Umgang mit Stoffen und schaffen die Sachkompetenz für fundierte Diskussionen über gesellschaftlich relevante Themen, die chemische Fragestellungen beinhalten.

Ausgehend von Alltagserfahrungen bietet der Unterricht den Schülern vielfach die Möglichkeit, fachliche Fragestellungen selbst zu formulieren und eigene Ideen zu deren Lösung einzubringen. Dies gilt in besonderem Maß für das selbständige Experimentieren unter Aufsicht des Lehrers vor allem in den Profilstunden. Gerade dabei werden grundlegende Arbeitshaltungen und Fähigkeiten wie Sorgfalt, Ausdauer, folgerichtiges, kreatives und vernetztes Denken eingeübt. Selbständiges Experimentieren steigert nicht nur die Motivation und die manuelle Geschicklichkeit, sondern fördert auch die Teamfähigkeit und, durch sicherheitsgerechtes und umweltbewusstes Vorgehen, das Verantwortungsbewusstsein der Schüler (vgl. Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht in der jeweils geltenden Fassung). Es stärkt also auch soziale und kommunikative Kompetenzen und dient somit wichtigen erzieherischen Anliegen. Möglichkeiten zum experimentellen Arbeiten sollen deshalb auch in den Ausbildungsrichtungen und Jahrgangsstufen genutzt werden, in denen entsprechende Profilstunden im Lehrplan nicht ausgewiesen sind.

Zusammenarbeit mit anderen Fächern

Der Chemieunterricht trägt nicht nur zum fachspezifischen Erkenntnisgewinn bei, sondern dient auch der fächerverbindenden und fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Die Zusammenschau grundlegender Erkenntnisse aus Chemie, Biologie und Physik, unter Anwendung von Methoden der Mathematik, fördert das vernetzte Denken der Schüler und versetzt sie in die Lage, ein rationales, naturwissenschaftlich begründetes Weltbild aufzubauen. Bei der Diskussion aktueller Fragen und Probleme , wie etwa der Energieversorgung, der Ernährungssicherung, der Reinhaltung von Boden, Wasser und Luft und der Müllvermeidung bzw. -verwertung, ist die Zusammenarbeit mit den gesellschafts- und geisteswissenschaftlichen Fächern anzustreben. Dies kann z. B. in Form fächerverbindender Projekte geschehen. An geeigneten Stellen werden auch die Auswirkungen von Entwicklungen in der Chemie auf Kultur und Geschichte aufgezeigt.

Ziele und Inhalte

Der Chemieunterricht fördert die Kompetenz der Schüler, Phänomene der Lebenswelt auf der Grundlage ihrer Kenntnisse über Stoffe und chemische Reaktionen zu erklären, zu bewerten und dabei adressatengerecht zu kommunizieren. Neben dem Fachwissen ist also auch eine Handlungsdimension bedeutsam. Diese Handlungsdimension umfasst in Anlehnung an die KMK-Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss bzw. den KMK-Beschluss über Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung, in der jeweils gültigen Fassung, grundlegende Elemente naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung, also experimentelles und theoretisches Arbeiten, Kommunikation und die Anwendung und Bewertung chemischer Sachverhalte in verschiedenen Kontexten.

Die Schüler erkennen dabei die Bedeutung der Wissenschaft Chemie und der chemischen Industrie für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt und werden für eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen sensibilisiert (z. B. verantwortungsbewusster Umgang mit Chemikalien und Gerätschaften in Haushalt oder Labor). Um die praktische Bedeutung der Chemie in Industrie und Technik zu veranschaulichen, sollen im Chemieunterricht auch die Möglichkeiten des Lernens vor Ort genutzt werden. Erkundungen von chemischen Betrieben oder wissenschaftlichen Labors, aber auch z. B. von Produktionsstätten der Lebensmittelindustrie oder von kommunalen Ver- und Entsorgungseinrichtungen ermöglichen nicht nur Einblicke in chemisch-technische Verfahren, sondern vermitteln auch einen Eindruck von der modernen Arbeitswelt, dienen der beruflichen Orientierung und fördern das transdisziplinäre Denken der Schüler.

Um die Fachinhalte zu strukturieren, orientiert sich der Chemieunterricht an Basiskonzepten, d. h. bestimmte Betrachtungs- und Deutungsweisen finden bei verschiedenen Inhalten immer wieder Anwendung. Dadurch werden kumulative Lernprozesse in Gang gesetzt, die es den Schülern schließlich ermöglichen, verschiedene Phänomene selbst einzuordnen und zu erklären. Dieser Prozess gewinnt zunehmend an Tiefe und Komplexität. Folgende Basiskonzepte stehen im Mittelpunkt:

Stoff-Teilchen-Konzept: Die erfahrbaren Phänomene der stofflichen Welt und deren Deutung auf der Teilchenebene werden konsequent unterschieden.
Struktur-Eigenschafts-Konzept: Art, Anordnung und Wechselwirkung der Teilchen bestimmen die Eigenschaften eines Stoffes.
Donator-Akzeptor-Konzept: Säure-Base- und Redoxreaktionen lassen sich als Protonen- bzw. Elektronenübergänge beschreiben.
Energiekonzept: Alle chemischen Reaktionen sind mit einem Energieumsatz verbunden.
Gleichgewichtskonzept: Reversible chemische Reaktionen können zu einem Gleichgewichtszustand führen.

In den Jahrgangsstufen 8 mit 10 des Naturwissenschaftlich-technologischen Gymnasiums bzw. 9 und 10 des Sprachlichen, des Musischen sowie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums erwerben die Schüler ein fundiertes Wissen über Stoffe und deren chemische Eigenschaften sowie die Fähigkeit, diese Eigenschaften auf der submikroskopischen Ebene zu deuten. Im Profilbereich der Jahrgangsstufen 8 mit 10 des Naturwissenschaftlich-technologischen Gymnasiums besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Inhalte anwendungsbezogen zu vertiefen und, durch die zentrale Stellung des Schülerexperiments, unmittelbare persönliche Erfahrungen zu sammeln. Dies wird der großen Bedeutung des Experiments für die naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung gerecht und fördert die für die Technik charakteristische problemorientierte Herangehensweise an Aufgabenstellungen.